NI
"So the contraction
of the iris and the muscular movements of the eye are neither
of them essential to vision,.."
"So sind weder die
Kontraktion der Iris noch die Muskelbewegung des Auges für
das Sehen wesentlich,.."
In diesem
Fall dürfte man wohl fragen, warum die Selektion solche
ungeheuer komplizierten (und doch zugleich unwesentlichen?) Strukturen
in, wie man annimmt, Millionen Jahre währender Verbesserungsarbeit überhaupt
entwickelt. Die Aussage Darwins ist schlicht falsch: Wer nur
noch "geradeaus" sehen kann mit weit geöffneter Iris, dürfte,
wenn die Netzhaut lichtempfindlich sein soll, bei vollem Sonnen-
oder auch nur Tageslicht schon in kurzer Zeit einen großen
Teil seiner Sehfähigkeit einbüßen, wenn er nicht
schon vorher wegen mangelnder Reaktionsfähigkeit "unter
die Räder" kommt.
K.E. Graebner
bemerkt nach Beschreibung der Augenmuskeln (1969, pp. 40/41):
Eine derart gekonnte
Augenmuskelversorgung zeigt schon, welche Bedeutung den Augenmuskeln
zukommt. Sie gehören zu den raschesten und exaktesten Bewegungen
des Körpers. Ein eigens vom Großhirn kontrolliertes
Steuerungszentrum im Mittelhirn (Koadaptationsphänomen!)
sorgt für die laufende Koordination der Bewegungen, denn
ständig müssen die optischen Achsen beider Augen auf
das fixierte Objekt gerichtet bleiben, ganz gleich, ob sich dieses,
der Betrachter oder sogar alle beide bewegen...Der Augenmuskelkontrollkomputer
- wenn man so sagen darf - im Mittelhirn ergibt ungeachtet aller
Kopf- und Körperbewegungen stets ein Bild der Umwelt, das
ruhig und senkrecht dasteht.55)
(Vgl. auch
H. Davson (Ed.): THE EYE; Vol. 4: MUSCULAR MECHANISMS; 1969,
398 Seiten)
Für den normalen
Sehakt ist ein äußerst feines Zusammenspiel aller
Augenmuskeln erforderlich. Schon geringe Lähmungen einzelner
Augenmuskeln stören das Gleichgewicht und werden subjektiv
als Doppelsehen registriert. ...Die Kerne der Augenmuskelnerven
sind durch das mediale Längsbündel miteinander verbunden.
Damit die Augen eine bestimmte Blickrichtung einnehmen können,
müssen jeweils verschiedene Augenmuskeln synergistisch wirksam
werden. Ein Blick nach rechts beispielsweise setzt voraus, daß am
rechten Auge der M. rectus lateralis über den N. abducens,
am linken Auge der M. rectus internus über den N. oculomotorius
innerviert wird. Für die Koordination dieser konjugierten
Blickmotorik ist ein der Formatio reticularis des Hirnstammes
zugehöriges Zellgebiet verantwortlich. Es erhält Informationen
vornehmlich vom zerebralen Kortex, vom Zerebellum und vom Vestibularapparat.
Läsionen innerhalb dieses integrierenden retikulären
Systems führen nicht zu Lähmungen einzelner Augenmuskeln,
sondern zu Blickparesen, die dadurch charakterisiert
sind, daß beide Augen unfähig sind,
eine bestimmte Blickrichtung einzuschlagen. Dabei kann es sich
um vertikale oder horizontale Blickparesen handeln. Ein besonders
wertvolles (diagnostisches) Zeichen ist das Parinaud-Syndrom mit
der Kombination einer vertikalen Blickparese und einer Konvergenzlähmung
der Augen. Es findet sich bei Schädigungen im Bereich der
Mittelhirnhaube.56)
(Aus D.
Soyka: KURZLEHRBUCH DER KLINISCHEN NEUROLOGIE 1973, pp. 11, 13;
dort weitere Einzelheiten)Die Darwinisten müssen annehmen,
dass Muskulatur samt Innervation und Kontrollstationen im Gehirn
durch Hunderte und Tausende kleiner zufälliger Abänderungen
in jedem Stadium ihrer Bildung und Weiterbildung sich jeweils
genau entsprachen.
NII
(Vgl. Weiterführung
des Satzes unter Punkt NI) "...but only improvements
which might have been added and perfected at any stage of the
construction of the instrument.""
"...sondern nur Verbesserungen,
die in jedem Bildungsstadium des Instruments hinzugefügt
und vervollkommnet werden können.""
Eine Netzhaut,
die anfängt, sinnvoll Lichtreize zu verarbeiten, bleibt
dennoch biologisch sinnlos, wenn die entsprechenden Gehirnzentren
nicht in der Lage sind, die von der Netzhaut kommenden Daten
zu entziffern und zu verarbeiten.
Pierre Paul
Grassé, der große französische Biologe, hat
den Gedanken (1973, p. 123) so formuliert:
Gleichzeitig mit
den Mutationen, die das Auge formten, mußten andere die
Hinterhauptlappen mit den Sehzentren ausbilden. Die gestreifte
Zone dieser Lappen in beiden Hemisphären entspricht anatomisch
und physiologisch der Netzhaut. Die Evolution beider mußte
notwendigerweise gekoppelt und gleichzeitig mit ihrer Verbindung
in den Zentralwindungen erfolgen, sonst hätte das Ganze
nicht funktionieren können.57)
Zuvor weist
er noch daraufhin, dass es sich hier nicht um einige wenige,
sondern um "Tausende und abertausende" von Mutationen handeln
würde. Linear ist Darwins Sache (unter Vernachlässigung
der experimentell gesicherten "Qualität" der Mutationen;
vgl. p.14 ff.) "vorstellbar", als ein Netzwerk von Koadaptationen
(sich gegenseitig bedingender Wechselbeziehungen und Rückkoppelungen;
- vgl. die "Symphonie" auf p. 30) nicht.
Verbessert
müsste der ganze oben zitierte Darwin-Wallace-Text wie folgt
heißen:
Wer soweit gehen
will, der sollte, wenn er nach der Lektüre der Origin findet,
dass eine Menge sonst verständlicher Tatsachen durch die
natürliche Zuchtwahl unerklärlich wird, auch noch einen
Schritt weitergehen und annehmen, dass auf dieselbe fragwürdige
Weise niemals ein so vollkommenes Instrument wie das Auge eines
Adlers gebildet werden könnte, zumal hier kontinuierliche Übergangsstufen
kaum wahrscheinlich sind. Um das Auge zu modifizieren und doch
als vollkommenes Instrument zu erhalten, hat man richtigerweise
gesagt, hätten viele Veränderungen gleichzeitig erfolgen
müssen, was die natürliche Zuchtwahl nicht zu vollbringen
vermochte, weil eine Neubildung von Strukturen autonom vonstatten
gehen müsste und ein Selektionswert erst darauf folgend
zu diskutieren wäre. Das Studium über das Variieren
der Haustiere ist für unsere Frage völlig irrelevant,
weil hier zwar eine ganze Menge Organrückbildungen mit allen
damit verbundenen Störungen auftreten, nicht aber die Neubildung
von Organen. Auch sind einzelne Organhypertrophien nicht mit
der Bildung völlig neuer Strukturen zu verwechseln. Wallace'
Meinung von der isolierten Weiterbildung einzelner Strukturen
eines Organs geht völlig an den Tatsachen vorbei, weil dabei
weder die mathematisch zu erwartende und entsprechend auch allgemein
festgestellte mangelnde Qualität zufälliger Veränderungen
noch das Koadaptationsproblem berücksichtigt wird. Sowohl
die Kontraktion der Iris als auch die Muskelbewegung des Auges
sind für das Sehen wesentlich. Organverbesserungen wären
nur korrelativ unter Einbeziehung des gesamten Organismus mit
seiner spezifischen Innenwelt und Umwelt sinnvoll.
O
"Within the highest
division of the animal kingdom, namely the Vertebrata, we can
start from an eye so simple, that it consists, as in the lancelet,
of a little sack of transparent skin, furnished with a nerve
and lined with pigment, but destitute of any other apparatus."
"Bei der höchsten
Abteilung des Tierreichs, bei den Wirbeltieren, können wir
von einem höchst einfachen Auge ausgehen, nämlich von
dem des Amphioxus, das nur aus einer mit einem Nerv versehenen
und mit Pigment bekleideten Einstülpung der durchsichtigen
Haut besteht, ohne sonstigen Apparat."
Die Hessischen
Organe sind spezielle Bildungen des Rückenmarks und sind
den Lichtsinnesorganen der Wirbeltiere nicht homolog,
d.h. selbst die Abstammungstheoretiker halten diese Strukturen
nicht für Vorläufer der Augen der Wirbeltiere. Im Übrigen
rechnen wir heute das Lanzettfischchen zu der Gruppe der Acrania,
nicht der Wirbeltiere. (Vgl. A. Portmann 1969, pp. 32, 68 u.
153)58)
P
"In the fishes and
reptiles, as Owen has remarked, "the range of gradations of dioptric
structures is very great."
"Bei Fischen und
Reptilien ist, wie Owen sagt, "die Reihe der Abstufungen der
Sehwerkzeuge sehr groß."
Nicht erwähnt
wird dabei die Tatsache, dass im Verhältnis zu den tausend
Zwischenstufen, die wir nach der Idee einer kontinuierlichen
Entwicklung in der Reihe hin zum Wirbeltierauge erwarten könnten,
praktisch sämtliche Bindeglieder zwischen einem "primitiven" Lichtsinnesorgan
wie bei Amphioxus (das einzig wirklich undifferenzierte ist ausgerechnet
nicht als Vorstadium zu betrachten) und der "einfachsten Organisationsstufe
der Neunaugen" (vgl. p. 29) fehlen! Verglichen mit dem, was fehlt,
ist die Reihe der Abstufungen der Sehwerkzeuge bei 'Fischen und
Reptilien' verhältnismäßig gering.
Q
"It is a significant
fact that even in man°, according to the high authority
of Virchow, the beautiful crystalline lens is formed in the embryo
by an accumulation of epidermic cells, lying in a sack-like fold
of the skin; and the vitreous body is formed from embryonic subcutaneous
tissue."
"Es ist bezeichnend,
daß nach Virchows autoritativer Angabe selbst beim Menschen
die schöne Kristallinse des Embryos aus einer Anhäufung
von Epidermiszellen gebildet ist, die in einer sackartigen Hauteinstülpung
liegen, während der Glaskörper aus embryonalen Unterhautgeweben
hervorgeht."
Welche Schwierigkeiten
(statt eines Argumentes) für die Theorie mit der Linsenbildung
des Wirbeltierauges verbunden sind, hat der Leser auf den Seiten
28 - 30 der vorliegenden Arbeit erfahren. Es ist wieder das Koadaptationsproblem,
das den Darwinismus in größte Verlegenheit bringt!
°Dieses "even
in man" rechtfertigt Neumanns Übersetzung in 55 0: "..Einstülpung
der durchsichtigen Haut.." Bei Amphioxus stimmt dies jedoch nicht!
R
"To arrive, however, at a just conclusion regarding
the formation of the eye, with all its marvellous yet not absolutely
perfect characters, it is indispensable that the reason should
conquer the imagination;"
"Um jedoch hinsichtlich der Bildung des Auges
mit all seinen wunderbaren, wenn auch nicht vollkommenen° Eigenschaften
zu einem richtigen Schluß zu gelangen, ist es nötig,
daß die Phantasie dem Verstande das Feld räumt."*
Man verzeihe mir, wenn ich im Folgenden einen
etwas schärferen Ton anschlage: Jetzt phantasiert Darwin schon
drei Seiten lang ("so fällt es uns nicht schwer zu glauben"; "Wer
soweit gehen will, der kann...auch noch einen Schritt weiter gehen
und annehmen,.."), beruft sich dabei auf andere Teile seiner Arbeit
ohne uns auch nur einen einzigen Beweis vorzulegen, simplifiziert,
versucht Klippen zu umschiffen, indem er Tatsachen weglässt,
sieht das Korrelationsphänomen nicht (das ja spätestens
seit Cuvier bekannt war) und nun soll zu guter Letzt, im Sinne
der Theorie, "die Phantasie dem Verstande das Feld räumen"!
Wir haben zum Leser das feste Vertrauen, dass
er diesen erneuten 'Umwertungsversuch', dass er die Evolutionsphantasie
zu durchschauen vermag und dass er die Wertung: Darwins Theorie
= Vernunft, - alle biologischen Tatsachen, die dagegen sprechen
(Koadaptation, Komplexität etc.) = Phantasie, als wissenschaftsfremde
Philosophie erkennen kann.
°Helmholtzens "berühmter" Satz ist angesichts
der inzwischen erforschten biologischen Komplexität nur noch
als Kuriosum zu bezeichnen.
*Losgelöst aus dem Zusammenhang von Darwins Äußerungen,
ist der Satz richtig.
S
"but I have felt the difficulty far too keenly
to be surprised at others hesitating to extend the principle of
natural selection to so startling a length."
"Ich habe selbst die Schwierigkeit zu stark empfunden,
als daß ich überrascht sein könnte, wenn andere
zögern, das Prinzip der natürlichen Zuchtwahl so erstaunlich
weit auszudehnen."
Selbst der immer noch zweifelnde Leser muss sich
verstanden fühlen: So führt man ihn ein Stück näher
an die Sache. Und das wäre ja auch gar nicht verkehrt, wenn
die notwendigen Beweise tatsächlich auf der Hand lägen.
T
"It is scarcely possible to avoid comparing the
eye with a telescope. We know that this instrument has been perfected
by the long-continued efforts of the highest human intellects;
and we naturally infer that the eye has been formed by a somewhat
analogous process."
"Man kann nicht umhin, das Auge mit einem Teleskop
zu vergleichen. Wir wissen, daß dieses Instrument durch lange
fortgesetzte Bemühungen der höchsten menschlichen Intelligenz
vervollkommnet wurde, und wir folgern natürlich daraus, daß das
Auge durch einen ähnlichen Vorgang entstanden ist."
Das ist - im Gegensatz zu Darwins Philosophie
- zumindest ein an der Erfahrung orientierter Ansatz! (Apparate
entstehen nicht von selbst.) Die menschliche "Vervollkommnung von
Apparaten" allerdings ist nicht mit Darwins Missverständnis
von der Vervollkommnung von Organen gleichzusetzen.
U
"But may not this inference be presumptuous? Have
we any right to assume that the Creator works by intellectual powers
like those of man?"
"Sollte aber diese Annahme nicht voreilig (presumptuous:
eigtl. anmaßend) sein? Haben wir ein Recht anzunehmen, daß der
Schöpfer ähnlich intellektuell wirkt wie der Mensch?"
Mit solchen rhetorischen Fragen kann man nur "werten",
den Versuch machen, einen gezielten Eindruck beim Leser zu hinterlassen
- klären kann man damit nichts. An der Umkehrung der Frage
sei dies verdeutlicht: "Sollte aber die Annahme voreilig (oder
gar anmaßend) sein, dass der Schöpfer ähnlich planmäßig
vorgeht wie der Mensch, wenn doch der Mensch im Bilde Gottes erschaffen
worden ist?" Korrekt muss die Frage lauten: Gibt es empirische
Anhaltspunkte, dass Apparate auch ohne Intelligenz, Plan und Vorhaben
entstehen können? Wenn nicht, sind wir dann nicht gezwungen,
auch Bewusstsein, Intelligenz und Planmäßigkeit für
die Entstehung des Auges anzunehmen? So gestellt lässt sich
die Frage empirisch untersuchen (vgl. S. 34 - 39).
V
"If we must compare° the eye to an optical
instrument, we ought in imagination to take a thick layer of transparent
tissue, with spaces filled with fluid, and with a nerve sensitive
to light beneath, and then suppose every part of this layer to
be continually changing slowly in density, so as to separate into
layers of different densities and thicknesses, placed at different
distances from each other, and with the surfaces of each layer
slowly changing in form."
"Vergleichen° wir das Auge mit einem optischen
Instrument, so müssen wir uns in Gedanken eine dicke Schicht
durchsichtigen Gewebes vorstellen, mit von Flüssigkeit erfüllten
Räumen und einem lichtempfindlichen Nerven darunter, und weiter
annehmen, daß jeder Teil dieser Schicht unausgesetzt und
langsam seine Dichtigkeit verändert, so daß sie sich
zu Lagen von verschiedener Dichtigkeit und Dicke in ungleichem
Abstand sondern, und daß auch die Oberfläche jeder Lage
langsam ihre Form wechselt."
°Eigl.: "Wenn wir..vergleichen müssen,.." In
56 T lasen wir: "It is scarcely possible to avoid comparing.." Dieser
Vergleich ist Darwin schon unangenehm!
Wenn das Bild, das uns das Auge liefert, so ineinander
verschwimmen würde, wie nach Darwins Vorstellung die Strukturen
des Auges, dann hätte der Leser wohl einige Schwierigkeiten
mit dem Entziffern der vorliegenden Zeilen. Damit taucht nun wieder
die schon ausführlich behandelte Idee der "absoluten Variation" (vgl.
Zitate H. Nilsson und D. Einhorn) auf, die angesichts der empirischen
Tatsachen nicht länger haltbar ist. Die verschiedenen pathologischen
Veränderungen (vgl. p. 13 oben) stehen dabei nicht zur Debatte;
denn dass als Resultat solcher Störungen eine "Vervollkommnung" erzielt
wird, ist nicht zu erwarten.
Wie Darwins weitere Ausführungen zeigen,
will er auch mit diesem Vergleich auf die Entstehung des Auges
hinaus, wobei er nun wieder das voraussetzt ("dicke Schicht durchsichtigen
Gewebes", "mit Flüssigkeit erfüllten Räumen und
einem lichtempfindlichen Nerven darunter"), was er erklären
soll.
Vorhin (vgl. p. 53) stellte Darwin mit Wallace über
die Linse z.B. fest, dass "jede Zunahme der Regelmäßigkeit
ihrer Krümmung eine Verbesserung" sei (was natürlich
so richtig ist wie etwa die Behauptung, dass jede Zunahme an Helligkeit
des Fells für den Schimmel eine Vervollkommnung sei). Was
aber, wenn nun all die anderen Strukturen richtungslos weiter variieren,
wie der obige Darwin-Text besagt? Selbst wenn wir einmal annehmen,
eine Linse werde entgegen allen empirischen Tatsachen Darwin zuliebe
durch zufällige Abänderungen Schritt für Schritt
verbessert - währenddessen variieren aber Form und Dichtigkeit
von Cornea, Kammerwasser der vorderen und hinteren Augenkammer
und der Glaskörper ("spaces filled with fluid") und dazu noch
sämtliche Strukturen der Netzhaut, der Aderhaut etc. - Sehnerv
und Gehirnstrukturen nicht zu vergessen - völlig richtungslos
weiter! Wenn unsere Linse endlich eine (für eine Linse) einigermaßen
zufriedenstellende Form erreicht hat, stört die Form der Cornea,
ist die Brechung des Kammerwassers zu stark und dergleichen mehr,
und die Brennweite passt nicht - von all den übrigen nicht
zusammenpassenden Strukturen, die sowieso noch nicht darauf vorbereitet
sind, ein klares Bild zu verarbeiten, einmal abgesehen! Kurz: Wie
soll das Ganze bei dieser Methode am Ende zusammenpassen? Hier
Darwins Antwort:
W
"further we must suppose that there is a power,
represented by natural selection or the survival of the fittest,
always intently watching each slight alteration in the transparent
layers; and carefully preserving each which, under variied circumstances,
in any way or in any degree, tends to produce a distincter image."
"ferner müssen wir uns denken, daß es
eine Kraft gibt, die natürliche Zuchtwahl oder Überleben
des Tüchtigsten heißt und die aufmerksam jede geringe
Veränderung der durchsichtigen Lagen beobachtet und sorgsam
jede erhält, die unter den veränderten Umständen
irgendwie ein genaueres Bild hervorzubringen vermag."
Die natürliche Zuchtwahl wird ja hier fast
mit göttlicher Allwissenheit gleichgesetzt ("intently watching
each slight alteration"; "carefully preserving each which..in any
way or in any degree tends to produce a distincter image".)"
Ist dieser Glaube an die absolute Wirksamkeit
der Selektion gerechtfertigt? Tatsachen (Science Digest, Jan. 1961,
pp. 61 - 63):
Von 120 000 befruchteten Eiern des Laubfrosches überleben
nur zwei Individuen. Sollen wir annehmen, daß diese beiden
Frösche von 120 000 durch die Natur ausgewählt wurden,
weil sie die tüchtigsten gewesen seien; oder vielmehr.., daß die
natürliche Auslese nichts anderes als eine blinde Mortalität
ist, die gar nichts ausliest?
Das ist das andere Extrem; die Wahrheit liegt
gewöhnlich dazwischen. Gegen eine Verabsolutierung der Selektion
im Darwin'schen Sinne gibt es zahlreiche Beispiele, die seit Darwins
Zeit in Hunderten von Arbeiten gesammelt und publiziert worden
sind. Ein paar Arbeitsgebiete seien hier genannt:
1.
Selektionstheoretisch neutrale Strukturen. ("Betrachten
wir nur einmal die Vielfalt der Blattformen: Welchen Vorteil sollte
eine Pflanze mit ganzrandigen Blättern gegenüber einer
mit gezähnten oder eine Pflanze mit gezähnten gegenüber
einer mit gesägten oder doppelt gesägten Blättern
usw. haben?" (W.-E. Lönnig 1971, p. 35) - Eine Antwort ist
mir bisher jeder Selektionstheoretiker schuldig geblieben! Dutzende
von Beispielen ähnlicher Art in den Arbeiten K. Goebels, W.
Trolls, St. Vogels u.v.a.)59)
2.
Organhypertrophien, "Luxusbildungen", in der Natur.
(Riesige Geweihe (Elche), Zähne (Säbelzahntiger) etc.
- R. Nachtwey bringt in seinem Buch DER IRRWEG DES DARWINISMUS60) dafür
eine Reihe von Beispielen. Die natürliche Zuchtwahl hätte
bei den betroffenen Tieren die Weiterbildung solcher Strukturen
spätestens vor dem Aussterben solcher Tiere abbrechen müssen.)
3.
Primäre Zweckmäßigkeit. (Wolffs
Regenerationsbeispiele, Verhalten der Erbsenkäferlarve - Einzelheiten
bei Wolff, Uexküll und Kuhn61)) und "fremddienliche
Zweckmäßigkeit" (Gallbildungen der Pflanzen; E. Becher62) u.a.)
"Die Behauptung, gewisse Eigenschaften seien durch
Selektion erklärt, ist ebenso naiv, wie wenn jemand auf die
Frage, warum ein Baum Blätter habe, antworten wollte, weil
sie der Gärtner nicht abgeschnitten hat (Nägeli). Selektion
setzt also erst da ein, wo nützliche und schädliche Varianten
schon vorhanden sind, erklärt diese aber nicht...Bei einem
Eisenbahnunglück wird nicht derjenige überleben, der
die stärksten Knochen hat, sondern der den günstigsten
Sitz einnimmt." (Zitiert nach Kuhn)63)
Nach Aufführung verschiedener Beispiele (Verlauf
der Laubblattnervatur, Vielfalt der Gestalt bei Desmidiaceen und Diatomeen) folgert der Göttinger Botaniker E. Pringsheim (1970,
p. 398):
Diese und ähnliche Erscheinungen bedeuten
eine starke Einschränkung des Darwinschen Gesichtspunktes
der Artentstehung.64)
Müssen wir also wirklich denken,
dass die natürliche Selektion eine solche absolute Kraft ist?°
°Vgl. auch Salomo: Prediger 9:11 und Jesus:
Matthäus 13:1-9
X
"We must suppose each
new state of the instrument to be multiplied by the million; each to be preserved
until a better one is produced, and then the old ones to be all destroyed.""Wir
müssen annehmen, daß jeder neue
Zustand des Instruments millionenfach vervielfältigt und daß jede
Modifikation so lange erhalten wird, bis eine bessere hervorgebracht
ist, daß dann aber alle alten zerstört werden."
Praktisch jeder durch zufällige Abänderungen
des Erbguts entstandene "neue" Zustand eines Organs oder Organsystems
ist nach mutationsgenetischen Erkenntnissen und Erfahrungen auch
der differenzierungsmäßig schlechtere Zustand* (Vgl.
Zitat Remane/Storch/Welsch p. 43; Frage nach der Wahrscheinlichkeit
positiver Mutationen pp. 14 - 19; Spezialfragen im Pflanzenreich
ausführlich bei H. Nilsson), der damit dazu tendiert, millionenfach
ausgemerzt zu werden.
*Entstehung neuer Gene auch nicht durch die Ausnahme
der Polyploidie (Verdopplung bzw. Vervielfachung bereits vorhandener
Gene).
"..alle alten zerstört..": Woher stammt dann
die abgestufte Mannigfaltigkeit innerhalb verschiedener Klassen?
Warum gibt es dann heute noch so viele Differenzierungsstufen des
Auges bei den verschiedenen Tierformen?
Y
"In living bodies, variation
will cause the slight alterations, generation will multiply them almost infinitely,
and natural selection will pick out with unerring skill each improvement."
"Die Variation bringt diese geringen Abänderungen
bei lebenden Körpern zuwege, die Fortpflanzung vervielfältigt
sie fast ins Unendliche, und die natürliche Zuchtwahl liest
mit unfehlbarer Geschicklichkeit jede Verbesserung aus."
"Variation" - im vorigen Satz war synonym von
Modifikation die Rede: Die klare Trennlinie zwischen Modifikation
und Mutation stammt erst von dem Genetiker Johannsen 1908. Richtig
müsste Darwins Satz heute heißen:
Im Sinne des Mendel'schen Gesetzes ist die Variation
zwar ungeheuer groß, aber begrenzt. Neubildung von Organen
durch Mutationen sind unbekannt und unwahrscheinlich. Durch Fortpflanzung
kann natürlich nur das zum Vorschein kommen, was im Erbgut
bereits vorhanden war und ohne natürliche Zuchtwahl würde
ein normaler Genpool durch Häufung rezessiv-negativer Mutationen
zur Degeneration neigen. Inbrünstige Äußerungen
zur neuschaffenden Wirksamkeit von Mutation und "unfehlbarer" Selektion
sind Glaubenssache.
Z
"Let this process go on for millions of years;
and during each year on millions of individuals of many kinds;
and may we not believe that a living optical instrument might thus
be formed as superior to one of glass, as the works of the Creator
are to those of man?"
"Wenn man nun diesen Vorgang Millionen von Jahren
dauern und während jedes Jahres an Millionen von Individuen
verschiedener Arten sich fortsetzen läßt - wird man
dann nicht glauben, daß ein lebendes optisches Instrument
in demselben Maße vollkommener als ein gläsernes gestaltet
werden kann, wie die Werke des Schöpfers vollkommener sind
als die Werke des Menschen?"
Was der Vergleich mit den Werken des Schöpfers
hier soll, dessen Wirksamkeit für die Entstehung des Lebens
in den verschiedenen Differenzierungsstufen ja Darwin versucht,
systematisch zu leugnen (und an welchen er gegen Ende seines Lebens
auch nicht mehr glaubte), indem er eine den Tatsachen widersprechende
Ersatzreligion mit den Göttern absoluter Variation und unfehlbarer
Selektion erfindet, bleibt nun völlig unverständlich!
"- wird man dann nicht glauben,.." ("may we not
believe that an..instrument might thus..") - So etwas (bzw. ähnliches)
haben wir doch schon ein paarmal gehört ("so erscheint es
denkbar.."; "so fällt es uns nicht schwer zu glauben.."; "Wer
soweit gehen will, der kann...auch noch einen Schritt weitergehen
und annehmen.."; "Ferner müssen wir uns denken, daß..";
Wir müssen annehmen.."). Müssen wir, die
wir an dem tatsächlichen Geschehen auf unserer Erde und nicht
an der Rechtfertigung von Charles Darwin interessiert sind, das
wirklich alles?
Wie ungerechtfertigt die Verabsolutierung von
Variation und Selektion ist, darüber haben wir ja schon einiges
gehört. Bleibt noch das Spiel mit den Jahrmillionen, zu dem
Andermann einmal nach gründlicher Untersuchung festgestellt
hat, dass es im Grunde genommen von "vornherein eine faule Angelegenheit
ist, wenn man zu "unendlich langen" Zeiträumen und zu einer
unkontrollierbaren Vergangenheit Zuflucht nehmen muss. Wir sehen
immer wieder denselben Versuch, logische Schwierigkeiten dadurch
abzuschwächen, indem man das Problem verschiebt und sich auf
die Wirkung der Zeit hinausredet."65)
M. Eden bemerkt zu demselben Punkt (Mathematical
Challenges to the Neo-Darwinian Interpretation of Evolution; 1967,
p. 8):
Die Länge der Zeit ist nur dann sachdienlich,
wenn die Wahrscheinlichkeitsstruktur der Ereignisse und Veränderungen,
die sich in dieser Zeit abspielen, ebenfalls bekannt ist.66)
Die Wahrscheinlichkeitsstruktur ist für unsere
Fragen, wie die obigen Berechnungen (vgl. pp. 5 - 21) gezeigt haben,
in seinen empirischen und mathematischen Grundlagen bekannt. Weder
die Zeit noch die Individuenzahl können Darwins Theorie retten.
Seine Ausführungen sind nichts weiter als eine ungemeine Spekulation
mit (damals) mehreren Unbekannten, ein Glanz- und Meisterstück
der Überredungskunst, bei dem - ganz im Sinne der Theorie
- mit einer ganzen Serie kleiner (manchmal kaum merklicher) Schritte, "suggestions",
Voraussetzungen, Möglichkeiten und Umwertungen gearbeitet
wird. Ziel des Unternehmens ist die "Evolution" der Lesermeinung
zum Glauben an die Theorie, wobei mit einer psychologischen Feinheit
vorgegangen wird, die vielleicht einmalig in der Geschichte naturwissenschaftlicher
Theorien dasteht. Aber diese Überredungskunst ist durchschaut
und die Unbekannten sind inzwischen weitgehend empirisch klargestellt
worden. Tatsächlich hat uns Darwin keinen einzigen Beweis
vorgelegt, genauso wenig wie die Neodarwinisten das heute können.
In seinem Buch AUGE UND GEHIRN schreibt R.L. Gregory zu
unserem Thema (1972, p. 25):
Das Entwicklungsproblem des Auges war durch die
DARWINsche Theorie der natürlichen Auslese sehr schwer zu
erklären. Beim Entwerfen eines neuen Instrumentes können
wir mit völlig nutzlosen Modellen experimentieren. Das ist
bei der natürlichen Auslese nicht möglich. Hier muß jeder
Entwicklungsschritt Vorteile bringen, um über Generationen
hindurch ausgewählt und fortgepflanzt zu werden. Was für
einen Nutzen hat jedoch eine halbfertige Linse? Was für einen
Sinn hat eine bilderzeugende Linse, wenn das Nervensystem die Netzhautbilder
nicht interpretieren kann? Wie soll sich das visuelle Nervensystem
differenzieren, bevor ein Auge vorhanden ist, durch das es mit
Informationen versorgt wird?
Die Fragen sind eindeutig. Welchen Schluss zieht
jedoch der Autor aus diesen Gegebenheiten?
Da es in der Entwicklung keinen Generalplan gibt,
aufgrund dessen im Augenblick nutzlose Organe gebildet werden könnten,
die erst später nach Ausbildung anderer Körperteile wichtig
werden, müssen sich das menschliche Auge und Gehirn über
eine lange Reihe enttäuschender Versuche und Irrtümer
entwickelt haben.67)
Deutlicher kann man wohl den (Neo-)Darwinismus
nicht ad absurdum führen: Das ist doch ein flagranter Schluss gegen die
Tatsachen! Wenn es durch Versuch und Irrtum nun einmal wegen der
bestehenden koadaptativen Verhältnisse (und anderer Faktoren
mehr) nicht geht, dann muss logischerweise hinter dieser Entwicklung
ein Generalplan° stehen, der - gemessen an der Komplexität
von Auge und Gehirn - das, was wir bisher darunter verstanden haben,
an Genialität und Verwirklichung alle menschlichen Pläne
tausendfach übertrifft.
Wenn die Entwicklung im Rahmen der "erklärbaren
kleinen Mutationen" bleiben soll, dann übertreiben wir sicher
nicht, wenn wir annehmen, daß für die betrachtete Entwicklung
nur etwa 100 kleine Schritte nötig waren. Wir wollen so weit
gehen und annehmen, daß diese kleinen Mutationen physikalisch
erklärbar sind...Wenn dies der Fall sein soll, dann müssen
sie ungerichtet sein. In der Physik gibt es keine Zielrichtung
bei mehreren aufeinander folgenden, aber voneinander unabhängigen
Prozessen. Die aufeinander folgenden Mutationen liegen zeitlich
auseinander und sind unabhängig voneinander, sonst hätten
wir eine Makromutation vor uns. Wir nehmen ferner an, daß es
in jedem Stadium für die folgende Mutation nur zwei Möglichkeiten
gibt, von denen eine in die richtige Richtung zum [Auge] weist...Nach
dem angenommenen Modell ist die Chance für [das Auge] für
100 Mutationsschritte 1 : 2100 Å 1 : 1030.
Wenn jeden Tag (!) eine solche Mutation stattfinden würde
und die Population etwa 1 Milliarde wäre, müßte
das Universum 108 (100 Millionen!) mal seine ganze Entwicklungsgeschichte
durchlaufen, bevor ein [einziges Auge]ensteht.68)
Nach Prof. W. Heitler 1975,
p. 46 - für 'Archaeopteryx' habe ich hier 'Auge' eingesetzt:
es trifft auf beides gleichermaßen zu!)
°Generalplan: Nicht speziell zur Bildung
vorübergehend nutzloser Strukturen, sondern im Sinne eines
Gesamt-Konzeptes der Intelligent Design-Theorie.
(Bewußt) nicht berücksichtigt ist in
diesem Modell die mangelnde Qualität der Mutationen, das Koadaptationsproblem
(das praktisch "Großmutationen" erfordern würde) und
weiter, dass von "Vervollkommnung" (Begründung der Selektionswirkung)
bei Beachtung der Umwelt und Innenwelt der Tiere gar nicht die
Rede sein kann.
Der Aufbau von Informationen oder Programmen durch
Zufallsvariation und Selektion hat sich bei Computern "spectacular
unsuccessful" erwiesen, "even though the number of variants a computer
can try easily runs into billions" (M. Eden und P.M. Schützenberger
1967, p. 11). - Alles, was die Neodarwinisten darauf antworten
konnten, war (wörtlich): "We are not interested in your computers" (p.
77).69)°
An den Tatsachen orientiert, müsste Darwins
oben zitierter abschließender Satz zum Thema Auge heute wie
folgt lauten:
Wenn man nun zur Prüfung im Modell diesen
Vorgang Millionen von Jahren dauern und während jedes Jahres
an Millionen von Individuen verschiedener Arten sich fortsetzen
lässt und dann immer noch feststellen muss, dass keine neuen
Organe, geschweige denn Organsysteme entstehen - wird man dann
nicht erkennen, dass ein lebendes optisches Instrument das Meisterwerk
eines genialen Designers ist, wo doch schon die viel einfacheren
Werke des Menschen besondere Intelligenz und Geist voraussetzen
und die Werke des Designers vollkommener sind als die Werke des
Menschen?
Vielleicht wird man gegen die vorliegende Beurteilung
des Darwin'schen Textes einwenden, dass wir heute nach mehr als
110 Jahren intensivster biologischer und überhaupt wissenschaftlicher
Forschung gut Reden haben können; denn über die Bedeutung
der Variation (3. Mendel'sche Gesetz, Mutationen und Modifikation),
die Bedingungen der Selektion (Thema Ökologie), die Wichtigkeit
der Augenmuskeln, die kaum fassbare Komplexität organischer
Strukturen und ihr genaues koadaptatives Zusammenspiel sowie ihr
ontogenetisches Werden etc., war damals wenig - in manchen Fällen
gar nichts bekannt.
Aber darum geht es nicht. Meine Kritik richtet
sich gegen folgende zwei Punkte:
Den ersten hat ein Zeitgenosse Darwins, Prof.
A. Wigand, so formuliert:
Nicht, daß Darwin die Ursache der Abänderungen
usw. nicht anzugeben weiß, machen wir demselben zum Vorwurf,
sondern daß er seine Theorie auf einem Gebiete versucht, über
welches man eben nichts weiß. Wenn wir über den Zusammenhang
der eigentümlichen Gestalt und Organisation der verschiedenen
Pflanzen und Tiere mit deren individuellen Existenz fast völlig
im Dunkeln sind, so ist es durchaus unberechtigt, auf diese Lücke
in unserer Erkenntnis ein System bauen zu wollen.70)
Hinzuzufügen wäre noch: Und im Sinne
der Theorie alle entgegenstehenden Tatsachen zu simplifizieren
(Wenn man z.B. über die Bedeutung der Augenmuskeln nichts
weiß, ist es einfach unwissenschaftlich zu behaupten, dass
sie für "das Sehen nicht wesentlich" seien.) und ihre Grundannahmen
(Variation und Selektion) zu verabsolutieren. Hier zeigt sich eine
prinzipielle Tendenz der Theorie: Sie muss, um bestehen zu können,
simplifizieren, aber sie geht damit an den biologischen Tatsachen
vorbei. Die Intelligent Design-Theorie hingegen hat ihre helle
Freude an der Kompliziertheit, an dem koadaptativen Zusammenspiel,
an der Symphonie der Lebenserscheinungen. Sie braucht weder zu
simplifizieren (von ihrem genialen Designer erwartet sie Meisterwerke)
noch zu verabsolutieren (etwa dass der biologische Speziesbegriff
mit der "Art" der Intelligent Design-Theorie identisch sei und
dass es weder Mutation noch Selektion gäbe).
Zum zweiten Punkt: Ich halte es für materialistische
Indoktrination, wenn man Darwins Text biologisch noch wenig geschulten
Lesern empfiehlt, die - angesichts der noch geringen Kenntnisse
biologischer Tatsachen und Zusammenhänge auf ein Darwin'sches
Meisterstück der Überredungskunst fast mit Notwendigkeit
hereinfallen müssen (Welcher dieser Leser bringt schon Detailkenntnisse
zu den 'lamarckistischen' Anschauungen Darwins (Pangenesishypothese),
zur Ontogenese von Amphioxus, zu den Aufgaben der Augenmuskulatur,
zur Koadaptation ect. mit?) und das, weil sie dem kaum etwas entgegen
setzen können, ihnen jedoch die Idee mit der suggestiven Kraft
des begabten "Rhetorikers" eingeimpft wird, - Indoktrination, wenn
man nicht gleichzeitig adäquate kritische Literatur dazu empfiehlt!
Nur unter Voraussetzung materialistischen Wunschdenkens
wird schließlich verständlich, dass noch heute die Mehrzahl
der Biologen - angesichts der inzwischen erforschten komplizierten
biologischen Phänomene - weiterhin alles daransetzt, die Begriffe
Variation (durch Mutation) und Selektion (mit Isolation) im Sinne
der Idee zu verabsolutieren und - genau wie Darwin - bei der "Beweisführung" der
Theorie die entscheidenden Gegenargumente systematisch übersieht
oder herabmindert, indem man als geeignetste Methode immer noch
dazu neigt, "linear zu simplifizieren" (vgl. Prof. Rensch-Zitat
pp. 23/24) und zur Vermittlung der Idee generell und weltweit Darwins
Origin als wichtigen Literaturhinweis empfiehlt.
Wie meint doch K. Lorenz (1975,
p. 31):
In der Geschichte menschlichen Wissensfortschrittes
hat sich noch nie die von einem einzigen Manne aufgestellte Lehre
unter dem Kreuzfeuer von Tausenden unabhängiger und von den
verschiedensten Richtungen her angestellten Proben so restlos als
wahr erwiesen wie die Abstammungslehre Charles Darwins. Mehr als
je gilt von ihr heute, was Otto zur Strassen vor mehr als vierzig
Jahren in seiner Einführung zum "Neuen Brehm" über sie
schrieb: "Alles uns jetzt Bekannte fügt sich ihr zwanglos
ein, nichts spricht gegen sie."71)
Wie die biologischen Tatsachen dagegen aussehen,
möchte die auf den nächsten Seiten folgende Zusammenfassung
noch einmal verdeutlichen.
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°Im Gegensatz dazu zitiert man derzeit recht
gern einige mathematische Ansätze, die die Evolutionstheorie
beweisen sollen, so dass es einmal notwendig ist, hier einige -
wie mir scheint - Missverständnisse zu klären.
1) In den meisten dieser Ansätze wird der
Begriff "Evolution" in einem anderen, engeren Sinne als in der
vorliegenden Schrift gebraucht. So definieren W. Köhler und
H.-J. Belitz (Berlin) in ihrem Beitrag COMPUTER IN DER GENETIK
(Naturw. Rdsch., Heft 8, 1976, p. 263): "Wenn wir akzeptieren,
dass die Evolution im allgemeinen Sinne der Genetik nichts anderes
als Genfrequenzänderungen beinhaltet, so können wir diese
mathematisch darstellen und darüber hinaus die Wirkungsweise
der Evolutionsfaktoren untersuchen. Diese Faktoren lassen sich
am einfachsten anhand des Hardy-Weinberg-Gesetzes darstellen." In
unserer Besprechung, wie im Grunde genommen auch bei Darwin und
anderswo, geht es jedoch beim Evolutionsbegriff nicht um die Verteilungshäufigkeit
schon vorhandener Faktoren, Gene (Johannsen 1908), sondern
um die Neubildung von Genen, um die Neudifferenzierung von Strukturen,
die Entstehung neuer Organe und Organsysteme, um den Ursprung der
Synorganisation auf allen Ebenen. Dieses ganze Gebiet wird natürlich
mit Genfrequenzänderungen überhaupt nicht erfasst. Wenn
es beim Thema Evolution nur um Veränderungen der Gen-Häufigkeit
ginge, wäre auch ich ein guter Evolutionist. So hat selbstverständlich
auch der Begriff "Zufall" bei der Gen-Verteilung im Sinne des Hardy-Weinberg-Gesetzes
seinen festen Platz, nicht aber bei der Entstehung synorganisierter
neuer Gen-Systeme.
2) Einem Millionen-Publikum wurde in letzter Zeit
ein paarmal im Fernsehen ein "mathematischer Beweis" vorgeführt,
bei dem tatsächlich alle entscheidenden Punkte, die es auf
biologischer Ebene zu erklären bzw. wahrscheinlich zu machen
gilt, ganz einfach als gegeben vorausgesetzt wurden. Verkauft wird
die Geschichte unter dem klangvollen Namen "Evolutionsstrategie" (so
auch der Titel des Buches von I. Rechenberg, Fromman-Verlag, Stgt
1973, 170 pp.). Es gibt in der Technik, speziell in der Strömungstechnik,
eine Vielzahl von Problemen, die man allein mit mathematischen
Methoden nicht oder noch nicht in den Griff bekommt. Was macht
ein Ingenieur in solchen Fällen? Solange es technische Probleme
in der Menschheitsgeschichte überhaupt gibt, werden vom Erfinder
oder Ingenieur verschiedene Möglichkeiten "ausprobiert" und
bei der Versuchsserie die besten Lösungen festgehalten ("Selektion"),
um eine Sache bis zur optimalen Lösung weiterzuentwickeln.
Das ist wohl so bekannt, dass man das nicht noch an Einzelbeispielen
aus der sagen wir Radio- und Autotechnik etc. belegen muss. Voraussetzung
sind immer die Techniker, variable Parameter (Größen)
und als Ziel optimale Lösungen. Genau die eben zitierte Probiermethode
mit mehreren Variablen wandten nun Prof. Wille und darauf vor allen
I. Rechenberg und Mitarbeiter zunächst auf dem Gebiete der
Strömungstechnik mit Erfolg an, jedoch mit dem Zusatz, dass
anstelle des gezielten Herumprobierens das zufällige Herumprobieren
trat. Hatte man doch bei den Neodarwinisten gelernt, dass die gesamte
Organismenwelt allein durch Zufallsmutationen und Auslese entstanden
sei. Dass man durch oft weitschweifiges, weil zufälliges,
Herumprobieren auch zum Ziel kommen kann, wenn man nur das
System variabler Parameter schon gezielt aufgebaut hat,
müsste auch dem simpelsten Verstande einleuchten. Der Zufall
ist damit auch schon kanalisiert und nicht mehr "ganz so zufällig".
Weil nun ohne diese zweckmäßigen Voraussetzungen hier
absolut nichts funktionieren und erreicht (optimiert) werden kann,
müssen wir diese Voraussetzungen etwas näher unter die
Lupe nehmen. Dazu einige Stichworte: Voraussetzungen für den "wohl
einfachsten strömungstechnischen Test" (Nachtigall): Platte
aus sechs Streifen, gelenkig miteinander verbunden, jedes Gelenk
mit 51 Einraststufen, damit 515 verschiedene mögliche
Winkel, Winkeleinstellung durch Zufallsmethode (Galtonbrett), dazu
absolute Selektion, die kontrollierenden Forscher nicht zu vergessen;
Ergebnis nach etwa 280 Einstellungsversuchen ("Mutationen"): nahezu
strömungstechnisch optimale flache Gelenkplatte. Nun ist das
Ganze mehr ein umständlicher Witz, weil ja jeder weiß,
dass die parallel angeströmte ebene Fläche den geringsten
Widerstand bietet. "Das Experiment wurde durchgeführt," begründet
Rechenberg den Versuch (p. 27) "um zu prüfen, ob bei Anwendung
der Evolutionsmethode diese Optimalform auch wirklich gefunden
wird, und wenn ja, wie viele Schritte dafür benötigt
werden." "Evolutionsmethode" steht hier für Zufallsentstellung
der Flächenstreifen und das jeweilige Festhalten der strömungstechnisch
besseren Einstellung ("Selektion"). Der erste Punkt der Begründung
erinnert mich an G.B. Shaws Kritik an den "Epoche machenden Entdeckungen" der
Darwinisten, etwa "daß ein Hund stirbt, wenn man ihm nichts
mehr zu fressen gibt" und dergleichen. Ist doch klar, dass die
Optimalform gefunden wird, wenn man die Einstellungen bei allen
Streifen zufallsmäßig verändert, aber jede strömungsmäßig
günstigere Stellung festhält und damit immer weiter verbessert.
Nun aber zur Übertragung auf die Biologie: Woher kommt hier
die "Gelenkplatte", der Insekten- oder Vogelflügel mit all
seinen Gelenken und Einstellungsmöglichkeiten (variablen Parametern)?
Das ist die entscheidende Frage, der wunde Punkt der ganzen Übertragung.
Denn in dem hier zitierten Sinne optimieren kann man natürlich
nur das, was bereits vorhanden ist! Derselbe Einwand trifft auf
alle weiteren Beispiele Rechenbergs und Mitarbeiter zu: Optimierung
eines 'Krümmers', Entwicklung einer rotationssymmetrischen
Düsenform (Zweiphasen-Überschalldüse), eines optimalen
Stabfachwerkes etc. Notwendigerweise vorausgesetzt und damit auf
die Ursprungsfragen der Biologie nicht übertragbar: alle flexiblen
Strömungskörper, Stellmotoren, Zahnstangen etc. - das
ganze System variabler Parameter. Um es noch einmal hervorzuheben:
Das System als solches muss schon vorhanden sein, wenn etwas optimiert
werden soll. Die ganze Ausrüstung mitsamt dem Programm entsteht
doch nicht "von selbst", setzt doch wohl einiges an Intelligenz
und Planmäßigkeit voraus - erst darauf erfolgt die Optimierung
mit zufallsmäßig verstellbaren Variablen (bei Rechenberg
mit 100-prozentiger Selektion). Wenn man das irgendwie auf die
Biologie übertragen will, sollte man das im wesentlichen auf
die Neukombination der Erbfaktoren eines genauso schon vorhandenen
biologischen Systems mit daran anschließender, wenn auch
nicht 100-prozentiger, Selektion beschränken. Weitere Fehlleistungen
bei der Übertragung auf Ursprungsfragen in der Biologie (Stichworte
und Seitenangaben der vorliegenden Schrift, wo diese Fragen behandelt
werden): Anfangszustände "unvollkommen" (vgl. pp. 33, 45-47,
50, 53-55, 57, 58); sämtliche positive Mutationen werden -
sowohl für die Entstehung der Systeme als auch deren Optimierung
- auf biologischer Ebene vorausgesetzt (Wahrscheinlichkeit solcher
Mutationen vgl. pp. 17-19), dazu die absolute Wirksamkeit der Selektion
(vgl. p. 58), wie ja überhaupt die ganze neodarwinistische
Evolutionstheorie. Man muss nur die notwendigen positiven Schritte
voraussetzen und schon kommt man nach dem "Korridormodell" auf
die angenommenen 3,5 Milliarden Jahre der angenommenen Evolution. "Die
Mutationsschrittweite Sopt ergibt sich aus der in der
Natur beobachteten Mutationsrate, die wir als optimal voraussetzen" (Rechenberg,
p. 142). Die Frage nach positiven Mutationen, "Supervitalfaktoren" (Hadorn/Wehner,
vgl. 14 ff.) ist tatsächlich nicht mit der Mutationsrate gekoppelt.
Seitdem Morgan 1910 bei Drosophila melanogaster das Wesen der geschlechtschromosomen-gebundenen
Vererbung festgestellt und Muller 1927 die Mutagene Wirkung ionisierender
Strahlen am selben Objekt einwandfrei nachgewiesen hatte, wurde
diese Fliege in aller Welt für ausgedehnte Vererbungsexperimente
verwendet: Tausende Generationen wurden in den verschiedenen Instituten
gezüchtet, ebenso Tausende von Mutationen festgestellt - nur
keine Evolution im Sinne von Höherentwicklung, nicht einmal
solche Phänomene wie die Mimikry, die uns Rechenberg in 75
Generationen mit seiner "erweiterten Evolutionsstrategie" vormachen
möchte (R.; pp. 78-86). Solche Beispiele gehen einfach an
der biologischen Realität vorbei. Zurück zur technischen
Seite: Wenn auch die Probiermethode mit mehreren Variablen bei
der Lösung von Problemen auf verschiedenen Gebieten in der
Menschheitsgeschichte prinzipiell weder neu noch originell ist,
so bleibt es doch bei aller Kritik das Verdienst Rechenbergs und
seiner Mitarbeiter, diese Methode in einer bisher fast ausschließlich
mathematisierenden Fachrichtung konsequent auf ein Spezialgebiet
angewandt zu haben, das bisher mathematischer Durchdringung nicht
oder nur zum Teil zugänglich ist. Die Probiermethode hat eben
da ihren Platz, wo wir mit unserer Kenntnis der Naturgesetze vorläufig
am Ende sind und kann dort erfahrungsgemäß, wie ja die
oben zitierten Beispiele - von der "Optimierung der Gelenkplatte" einmal
abgesehen, zeigen, auch zu praktischen Ergebnissen führen.
Auf der anderen Seite haben weder die strömungstechnischen
Tests noch die "höheren Nachahmungsstufen" etwas zu tun mit
der Entstehung des genetischen Codes samt Transkription und Translation,
der Neubildung von Cistronen und Enzymen, von Operator- und Regulatorgenen, überhaupt
biologischen Phänomenen - um willkürlich herausgegriffen
einige weitere Gebiete zu nennen - wie etwa der Gallbildung, dem
Generationswechsel, der Entstehung der verschiedenen Baupläne
auf ihren verschiedenen Differenzierungsstufen (jede für sich
und ihre Umwelt 'strömungstechnisch' vollkommen!) und last
not least mit dem Ursprung der Synorganisation von Auge und Gehirn.
Beim Auge z.B. sind nicht strömungstechnische, sondern optische
Gesetzmäßigkeiten vorrangig. Die Frage nach der Entstehung
des Wirbeltierauges erwähnt Rechenberg auf den Seiten 61 und
138 seines Buches, macht jedoch keinen Versuch, die angenommene
Entwicklung in Einzelheiten zu begründen und sieht auch nicht
das Koadaptationsproblem. Bei seinen Überlegungen geht R.
von folgender unrichtiger Voraussetzung aus: "Das Tauglichkeitsfeld
im Nukleotidraum ist annähernd glatt. Es gibt einen kontinuierlich
ansteigenden Pfad vom kleinen über den mittleren zum großen
Tauglichkeitswert" (R., p. 62). Vgl. dazu die Seite 19 unserer
Schrift.
Falls Rechenberg und Mitarbeiter begründet
anderer Meinung sind, lade ich sie ein, die Entstehung und Koordination
von Auge und Gehirn Schritt für Schritt anhand biologischer
Tatsachen in ihrem Sinne zu begründen. |